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Pharmakologische Induktion des „Delay-Phänomens“: Ghrelin, ein gastrointestinales Peptid als Schutz vor ischämischer Haut-Muskelnekrose?
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Published: | April 23, 2009 |
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Einleitung: Anhaltende Ischämie kann zu Gewebeuntergang mit Wundheilungsstörungen und Nekrose führen. Die pharmakologische Präkonditionierung könnte dabei eine effektive, nicht-invasive Methode zur Prävention ischämischer Komplikationen darstellen. In neueren Studien zeigt das in der Magenmukosa gebildete Peptidhormon Ghrelin vasodilatative, anti-inflammatorische und angiogene Eigenschaften. Ziel dieser Studie war es deshalb, die Wirkung von Ghrelin auf ischämisches Haut-Muskelgewebe in einem Lappenmodel zu untersuchen und mögliche zugrunde liegende Mechanismen zu analysieren.
Material und Methoden: An C57BL/6 Mäusen wurde ein in eine chronische Rückenhautkammer eingebrachter Haut-Muskellappen an 32 Mäusen bzw. 4 Gruppen (n=8) untersucht: 1. Ghrelin (40µg/kg Körpergewicht (KG)); 2. N-Nitro-L-Arginin-Methylester (L-Name: unspezifischer Stickstoffmonoxid-Synthase (NOS)-Inhibitor) (50mg/kg KG); 3. Ghrelin+L-Name (40µg Ghrelin/kg KG + 50mg L-Name/kg KG); 4. Kontrolle (NaCl). Ghrelin wurde 24 Stunden vor Lappenhebung intraperitoneal verabreicht und über weitere 2 Tage alle 12 Stunden wiederholt. Über einen Beobachtungszeitraum von 10 Tagen erfolgte mittels intravitaler Fluoreszenzmikroskopie die wiederholte Untersuchung des Nekroseausmaßes, der funktionellen Kapillardichte (FKD), der Angiogenese (MVD), des apoptotischen Zelltodes und der Leukozyten-Endothelzell-Interaktion. Weiter wurde die Expression von induzierbarer NOS (iNOS) und Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) gemessen.
Ergebnisse: Eine deutlich erhöhte Expression von iNOS im kritisch perfundierten Lappenanteil Ghrelin-vorbehandelter Tiere korrelierte mit einer arteriolären Dilatation (d1 nach Lappenhebung Kontrolle: 43±3μm, Ghrelin: 56±7μm; d3 Kontrolle: 45±2μm, Ghrelin: 67±2μm; p<0.05 vs Kontrolle) und Hyperperfusion, welche eine Aufrechterhaltung der FKD an Tag 10 (Kontrolle: 0±0cm/cm2; Ghrelin: 163±22cm/cm2; p<0.05) zur Folge hatte. Weiter beobachteten wir im Vergleich zur Kontrolle eine signifikant verringerte Apoptose sowie eine reduzierte venuläre Leukozyten-Endotheladhärenz in allen Tieren, die Ghrelin erhielten sowie eine frühzeitig verstärkte VEGF Expression, welche mit einer Neubildung funktioneller Kapillaren ab Tag 3 einherging (Kontrolle: 0±0cm/cm2; Ghrelin: 46±3cm/cm2 d10; p<0.05). Als Folge führte die Ghrelin-Vorbehandlung zu einer signifikanten Reduktion der Nekrose (Kontrolle: 52±2%; Ghrelin: 14±2% d10; p<0.05). Im Gegensatz dazu, hob die zusätzliche Verabreichung von L-Name den protektiven Effekt vollständig auf, welcher hauptsächlich auf der arteriolären Dilatation beruhte (L-Name+Ghrelin: d1 40±2μm, d3 43±4μm; L-Name: d1 38±4μm, d3 46±2μm). Es resultierte eine reduzierte FKD und eine erhöhte Haut-Muskelnekrose (L-Name: 63±7%; Ghrelin+L-Name: 49±6%), ohne jedoch die Angiogenese zu verhindern (Ghrelin+L-Name: d10 33±3%).
Schlussfolgerung: Die Vorbehandlung mit Ghrelin induzierte eine NO-abhängige arterioläre Dilatation und Hyperperfusion, welche die Aufrechterhaltung der nutritiven Perfusion gewährleistete. Zusammen mit der VEGF-getriggerten Neubildung funktioneller Gefäße führte dies zu einer signifikanten Verbesserung des Lappenüberlebens. Der anti-appototische und anti-inflammatorische Effekt scheinen hierbei eine untergeordnete Rolle zu spielen. Eine Ghrelin Vorbehandlung könnte daher einen viel versprechenden, nicht-invasiven Ansatz darstellen, Ischämie-bedingte Komplikationen in der Chirurgie pharmakologisch zu verringern.