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26. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

11.09. - 13.09.2009, Leipzig

In-vitro Modell zur Quantifizierung des Cisplatin-induzierten Haarzellverlustes

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Anke Tropitzsch - Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Tübingen, Stimm-, Sprach- und kindliche Hörstörungen
  • Andrea Müller - Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Tübingen, Hörforschungszentrum
  • Liliane Michels - Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Tübingen, Stimm-, Sprach- und kindliche Hörstörungen
  • Marcus Müller - Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Tübingen, Hörforschungszentrum

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 26. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Leipzig, 11.-13.09.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09dgppP01

doi: 10.3205/09dgpp03, urn:nbn:de:0183-09dgpp031

Published: September 7, 2009

© 2009 Tropitzsch et al.
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Zusammenfassung

Einleitung: Kinder im Alter bis zu 5 Jahren zeigen eine besondere Empfindlichkeit für Cisplatin induzierte Ototoxizität mit einer Inzidenz von bis zu 40% bei einer kumulativen Dosis von 400 mg/m2 [1]. Zur Untersuchung der Cisplatin-induzierten Ototoxizität stehen aufgrund der Nephrotoxizität keine geeigneten in-vivo Modelle zur Verfügung, da diese häufig letal sind.

Methoden: In einem organotypischen Kulturmodell des Innenohres wurde durch Applikation von Cisplatin ein Haarzellverlust induziert. Dieser wurde durch Zytocochleogramme quantifiziert. Es wurden Dosis-Wirkungskurven erstellt und mittlere effektive Konzentrationen errechnet (EC50).

Ergebnisse: Im in-vitro Modell konnte durch Cisplatinapplikation ein Haarzellverlust mit einem basoapikalen Gradienten erzielt werden. Der Haarzellverlust war linear zur Expositionszeit. Die EC50 für 48h betrug 1,75 µg/ml.

Diskussion: Für die Cisplatin-induzierte Ototoxizität wurde ein reproduzierbares und quantifizierbares in-vitro Modell etabliert. Die Ototoxizität alternativer platin-basierter Chemotherapeutika kann an diesem Modell mit der Ototoxizität von Cisplatin verglichen werden. Ebenso kann man die Wirkung otoprotektiver Substanzen prüfen.


Text

Einleitung

Cisplatin ist als Chemotherapeutikum in der medikamentösen Tumortherapie solider Tumoren bei Kindern trotz seiner ototoxischen Nebenwirkungen häufig unverzichtbar. Insbesondere jüngere Kinder im Alter bis zu 5 Jahren zeigen eine besondere Empfindlichkeit für eine Cisplatin induzierte Ototoxizität mit einer Inzidenz von bis zu 40% bei einer kumulativen Dosis von 400 mg/m2 [1]. In Abhängigkeit der Dosierung wird die Inzidenz der Cisplatin-induzierten Ototoxizität bei Kindern in der Literatur mit 7% bis 90% angegeben [2], [3]. Cisplatin induziert in der Cochlea Veränderungen an den äußeren und inneren Haarzellen, den Spiralganglienzellen und der lateralen Wand [4]. Zur Untersuchung der Cisplatin-induzierten Ototoxizität stehen aufgrund der gleichzeitig bestehenden Nephrotoxizität keine geeigneten in-vivo Modelle zur Verfügung, da diese mit einer hohen Letalität belastet sind. Reproduzierbaren und quantifizierbaren in-vitro Modellen kommt daher eine besondere Bedeutung zur Untersuchung der Cisplatin- induzierten Ototoxizität zu.

Methoden

In einem organotypischen Kulturmodell des Innenohres unter simulierten Mikrogravitationsbedingungen [5] wurde durch Applikation des ototoxischen Chemotherapeutikums Cisplatin der Verlust von Haarzellen im Corti’schen Organ induziert (Maus; 129SV; p7).

Es wurden whole-mount Präparationen des Corti’schen Organs angefertigt und mit Phalloidin zur Detektion der Stereozilien der Haarzellen gefärbt. Der Haarzellverlust wurde in Form von Zytocochleogrammen quantifiziert. Die ototoxische Wirkung von Cisplatin wurde für die Expositionszeiten von 24, 48 und 96 Stunden untersucht. Es wurden jeweils Dosis-Wirkungskurven erstellt und die entsprechenden mittleren effektiven Konzentrationen errechnet (EC50).

Ergebnisse

Im organotypischen Kulturmodell konnte bei Applikation von Cisplatin in Abhängigkeit von Dosis und Expositionsdauer ein Haarzellverlust mit einem von der basalen zur apikalen Windung gerichteten Gradienten erzielt werden (Abbildung 1 [Abb. 1]). Entsprechend reduzierte sich der quantifizierbare Erhalt der Haarzellen wie in Dosis-Wirkungskurven dargestellt (Abbildung 2 [Abb. 2]). Der Verlust der äußeren Haarzellen geht dem der inneren Haarzellen voraus. Die Zunahme des Haarzellverlustes verhielt sich in Abhängigkeit von der Zeit linear. Die mittlere effektive Konzentration (EC50) reduzierte sich bei längerer Expositionszeit und lag für 48 h Expositionszeit bei 1,75 µg/ml.

Diskussion

Für die Cisplatin-induzierte Ototoxizität konnte ein reproduzierbares und quantifizierbares in-vitro Modell etabliert werden. Die Ototoxizität alternativer platin-basierter Chemotherapeutika kann an diesem Modell mit der Ototoxizität von Cisplatin verglichen werden. An diesem Modell kann ebenfalls die Wirkung otoprotektiver Substanzen untersucht werden. Klinisches Ziel ist die Entwicklung einer otoprotektiven Begleitmedikation in der Tumortherapie mit Cisplatin ohne Beeinträchtigung der chemotherapeutischen Wirkung.


Literatur

1.
Li Y, Womer RB, Silber JH. Predicting cisplatin ototoxicity in children: the influence of age and the cumulative dose. Eur J Cancer. 2004;40:2445-51.
2.
Bertolini P, Lasalle M, Mercier G, Raquin MA, Izzi G, Corradini N, Hartmann O. Platinum compound-related ototoxicity in children: long-term follow-up reveals continuous worsening of hearing loss. J Pediatr Hematol Oncol. 2004;26 (10):649-55.
3.
Dean JB, Hayashi SS, Albert CM, King AA, Karzon R, Hayashi RJ. Hearing loss in pediatric oncology patients receiving Carboplatin-containing regimens. J Pediatr Hematol Oncol. 2008;30:130-4.
4.
Van Ruijven MW, de Groot JC, Klis SF, Smoorenburg GF. Cochlear targets of cisplatin: an electrophysiological and morphological time-sequence study. Hear Res. 2005;205(1-2):241-8.
5.
Hahn H, Müller M, Löwenheim H. Whole organ culture of the postnatal sensory inner ear in simulated microgravity. J Neurosci Methods. 2008;171(1):60-71.