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Dosisabhängigkeit der Cisplatin-Ototoxizität
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Published: | September 7, 2009 |
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Zusammenfassung
Cisplatin ist ein hochwirksames Chemotherapeutikum für die Behandlung unterschiedlicher Tumoren im Kindesalter. Als Nebenwirkung kann ein Hörverlust, beginnend im Hochtonbereich auftreten. Als Risikofaktoren für das Auftreten eines Hörverlustes wurden unter anderem ein geringes Alter der Patienten, die kumulative Cisplatin-Gesamtdosis, das Infusionsschema und genetische Faktoren beschrieben.
Die pädaudiologischen und onkologischen Daten von 21 Patienten, die zwischen 2002 und 2008 mit einer Cisplatin-haltigen Chemotherapie begannen, vor Therapie ein normales seitengetrenntes Tonschwellenaudiogramm zeigten und unter der Therapie eine Hörstörung entwickelten, wurden ausgewertet. Eine ototoxische Wirkung des Cisplatins wurde angenommen, wenn eine Hörverschlechterung auf mindestens Grad 2a (Münsteraner Klassifikation) auf einem Ohr vorlag.
Die kumulative relative (pro m2 Körperoberfläche) Gesamtdosis bis zum erstmaligen Auftreten einer Hörstörung variierte von 70 bis 480 mg/m2, der Mittelwert betrug 219,05 mg/m2 (SD 135,24). Es zeigt sich somit eine große individuelle Toleranz gegenüber einer Cisplatin-induzierten Ototoxizität. Dies lässt darauf schließen, dass neben der Dosis vor allem andere, individuelle (genetische) Faktoren für die Toleranz gegenüber Cisplatin verantwortlich sind.
Text
Einleitung
Cisplatin ist ein hochwirksames Chemotherapeutikum für die Behandlung unterschiedlicher Tumoren im Kindesalter. Als Nebenwirkung kann ein Hörverlust, beginnend im Hochtonbereich auftreten. Die Ototoxizität von Cisplatin beruht auf der Schädigung von Strukturen im Innenohr, vornehmlich der äußeren Haarzellen, Zellen der Stria vascularis und Nervenzellen des Spiralganglions. Auch die Aufklärung dieser Mechanismen unterliegt noch intensiver Forschung. Eine wichtige Rolle scheinen hier aber reaktive Sauerstoffspezies (ROS) zu spielen. Diese greifen zelleigene Strukturen an und führen über Calciumeinstrom schlussendlich zur Apoptose. Weitere Studien schreiben Caspasen eine wichtige Rolle in der Apoptoseinduktion zu. Der Hörverlust betrifft zumeist als erstes die hohen Frequenzen, da zunächst die basokochleären Haarzellen geschädigt werden. Im weiteren Verlauf der Therapie kommt es dann auch zur Beeinträchtigung der tieferen Frequenzen. Weitere beschriebene charakteristische Merkmale sind bilaterales Auftreten und Irreversibilität der Hörschädigung nach Therapieende.
Die Inzidenz des Hörverlusts nach Cisplatin-Gabe wird in der Literatur unterschiedlich angegeben und erreicht eine Bandbreite von 3–100%. Als Risikofaktoren für das Auftreten eines Hörverlustes wurden unter anderem ein geringes Alter der Patienten, die kumulative Cisplatin-Gesamtdosis, das Infusionsschema, das Geschlecht und genetische Faktoren beschrieben.
Methoden
Die pädaudiologischen und onkologischen Daten von 21 Kindern oder jugendlichen Patienten, die zwischen 2002 und 2008 mit einer Cisplatin-haltigen Chemotherapie begannen, vor der Therapie ein normales seitengetrenntes Tonschwellenaudiogramm zeigten und unter der Therapie eine Hörstörung entwickelten, wurden ausgewertet. Das Alter der Patienten betrug 4,03-18,63 Jahre (MW 10,44, SD 4,09). Die angewandten Therapieschemata waren COSS-96 oder EURAMOS 1 (3x24h-Infusion) bei Osteosarkomen, NB 2004 (4x24h-Infusion) bei Neuroblastomen und HIT-2000 (1x6h-Infusion) bei Medulloblastomen.
Eine ototoxische Wirkung des Cisplatins wurde angenommen, wenn eine Hörverschlechterung von mindestens Grad 2a (Münsteraner Klassifikation [1]) auf einem Ohr vorlag.
Ergebnisse
Die kumulative relative (pro m2 Körperoberfläche) Gesamtdosis bis zum erstmaligen Auftreten einer Hörstörung variierte von 70 bis 480 mg/m2, der Mittelwert betrug 219,05 mg/m2 (SD 135,24). Aus dem Zeitpunkt des Erstauftritts einer Hörstörung konnte in der Tendenz nicht auf den Grad der Hörstörung am Therapieende geschlossen werden.
Diskussion
Es zeigt sich somit eine große individuelle Toleranz gegenüber einer Cisplatin-induzierten Ototoxizität. Dies lässt darauf schließen, dass neben der Dosis vor allem andere, individuelle (genetische) Faktoren für die Toleranz gegenüber Cisplatin verantwortlich sind. In eigenen Studien konnten wir bereits zeigen, dass beim Vergleich von Patientengruppen mit und ohne ototoxischen Hörverlust Unterschiede in Polymorphismen des Megalins [2] und der Glutathion-S-Transferase [3] bestanden.
Ebenfalls zeigten sich in eigenen Untersuchungen Unterschiede in der ototoxischen Wirkung des Cisplatins abhängig vom Infusionsregime (Kurz- versus Langzeitinfusion) [4]. Die geringe Anzahl der Patienten dieser Untersuchung lässt hierzu jedoch keine signifikante Aussage zu.
Literatur
- 1.
- Schmidt CM, Bartholomäus E, Deuster D, et al. Die „Münsteraner Klassifikation“ - Eine neue Einteilung der Hochtonschwerhörigkeit nach Cisplatingabe. HNO. 2007;55(4):299-306.
- 2.
- Riedemann L, Lanvers C, Deuster D, Peters U, Boos J, Juergens H, am Zehnhoff-Dinnesen A. Megalin genetic polymorphisms and individual sensitivity to the ototoxic effect of cisplatin. Pharmacogenomics J. 2008;8:23-8.
- 3.
- Peters U, Preisler-Adams S, Hebeisen A, Hahn M, Seifert E, Lanvers C, Heinecke A, Horst J, Jurgens H, Lamprecht-Dinnesen A. Glutathione S-transferase genetic polymorphisms and individual sensitivity to the ototoxic effect of cisplatin. Anticancer Drugs. 2000;11(8):639-43.
- 4.
- Lanvers-Kaminsky C, Krefeld B, Dinnesen AG, et al. Continuous or repeated prolonged cisplatin infusions in children: a prospective study on ototoxicity, platinum concentrations, and standard serum parameters. Pediatr Blood Cancer. 2006;47(2):183-93.