gms | German Medical Science

26. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

11.09. - 13.09.2009, Leipzig

Untersuchung des Leseverstehens mit dem ELFE 1-6 bei 40 cochleaimplantierten Patienten

Vortrag

Search Medline for

  • corresponding author presenting/speaker Barbara Streicher - Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Ruth Lang-Roth - Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 26. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Leipzig, 11.-13.09.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09dgppV42

doi: 10.3205/09dgpp59, urn:nbn:de:0183-09dgpp597

Published: September 7, 2009

© 2009 Streicher et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Einleitung: Durch die Versorgung mit einem Cochlea Implantat ist die Hör- und Sprachentwicklung an Taubheit grenzend schwerhöriger Kinder maßgeblich verbessert worden. In der Untersuchung soll die Auswirkung auf das Leseverstehen betrachtet werden.

Material und Methode: Im Zeitraum zwischen 2006 und 2008 wurden 40 Kinder mit dem Leseverständnistest ELFE 1-6 untersucht. Der Test besteht aus drei Untertests – Wortverstehen, Satzverstehen und Textverstehen. Bei den 24 Jungen und 16 Mädchen betrug das durchschnittliche Alter bei der Testung 10;04 Jahre. 79% der Untersuchungsgruppe besuchten die Förderschule für Hören und Kommunikation, 18% die allgemeine Grundschule.

Ergebnisse: Das Leseverstehen der Gruppe ist sehr heterogen. Für die gesamte Gruppe ergeben sich für den Untertest Wortverstehen ein Prozentrang von 41, 65 (SD31, 65), für das Satzverstehen 33,06 (SD29,75) und das Testverstehen 22,53 (SD 25, 9) bei sehr hohen Standardabweichungen. Das Kollektiv, das ein Cochlear Implant vor dem zweiten Lebensjahr erhalten hatte, zeigte i.d.R. deutlich bessere Werte.

Fazit: Wir sehen in den Ergebnissen einen weiteren Hinweis darauf, dass die frühe Diagnose und Versorgung der kindlichen Taubheit Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung und schulische Leistung hat.


Text

Einleitung

Aus neurobiologischer Sicht sind beim Lesen alle Module der Wissensgeneration beteiligt, wie die Systeme der Reizweiterleitung (Wahrnehmung), der Bearbeitung (Lernen, Gedächtnis, Assoziation), der emotionalen Bewertung und der willentliche Aktion (Motorik, Absichten). Die Versorgung mit einem Cochlea Implantat hat die Hör- und Sprachentwicklung an Taubheit grenzend schwerhöriger Kinder maßgeblich verbessert. Ob und auf welchem Komplexitätsniveau können Kinder, die ein Cochlea Implantat erhalten haben, lesen. In dieser Untersuchung unterscheiden wir zwischen dem Wort-, Satz-, und Textverstehen [1].

Material und Methoden

Im Zeitraum zwischen 2006 und 2008 wurden 40 Kinder mit dem Leseverständnistest für Erst–Sechstklässler (ELFE 1-6) von Lenhardt und Schneider [2], in den Klassenstufen 3 und 4 untersucht. 31 Kinder besuchten die Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation, ein Kind die Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Motorik und 7 die allgemeine Grundschule. Der Test besteht aus drei Untertests – Wortverstehen (WV), Satzverstehen (SV) und Textverstehen (TV). Bei den 24 Jungen und 16 Mädchen betrug das durchschnittliche Alter bei der Testung 10;04 Jahre. 79% der Untersuchungsgruppe besuchten die Förderschule für Hören und Kommunikation, 18% die allgemeine Grundschule. Die ausgewählten Testverfahren unterliegen bewährten statistischen Eichverfahren. Die Normen sind gültig, ihre Population definiert und die Stichprobe repräsentativ. Die Normierungsstichprobe für den ELFE 1-6 bestand insgesamt aus 4893 Kindern aus 12 Bundesländern der BRD und Südtirol. Die interne Konsistenz nach Cronbachs α bei N=100 liegt für das Wortverständnis cr α=0,97, für das Satzverständnis cr α=0,93 und für das Textverständnis bei cr α=0,92. Es werden Rohwerte errechnet, die in T-Werte, z-Werte und Prozentränge umgerechnet und in Bezug auf die Klassennorm umgewandelt werden.

Ergebnisse

Das Leseverstehen der Gruppe ist sehr heterogen. Im Untertest Wortverstehen liegt der Prozentrang im Mittel bei 41,65 (SD 31,65), für das Satzverstehen 33,06 (SD 29,75) und das Testverstehen 22,53 (SD 25,9). In Abbildung 1 [Abb. 1] sind die Prozentränge der Untertests WV, SV und TV auf der Abzisse aufgetragen und der jeweilige prozentuale Anteil auf der Ordinate. Die Prozentränge beziehen sich auf die Klassennorm.

Wortverstehen

36% der Probanden haben ein im unterdurchschnittlichen Bereich (<25 Prozentrang) liegenden Wert und 64% im durchschnittlichen oder überdurchschnittlichen Bereich (25<75<90).

Satzverstehen

53% erreichen einen unterdurchschnittlichen Prozentrang (<25) und 47% haben ein Leseverstehen für Sätze, das durchschnittlich oder überdurchschnittlich (25<75<90) ist.

Textverstehen

Der Prozentrang von 72% (<25) der Gruppe liegt im unterdurchschnittlichen Bereich des Textverstehens, 21% (<75) erreichen einen durchschnittlichen Prozentrang und 8% einen überdurchschnittlichen. Ingesamt lagen 10 Kinder über dem Prozentrang von 50, 6 besuchten davon die Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation und 4 die allgemeine Grundschule. Ein Kind aus dieser Gruppe stammte aus einem zweisprachigen Lebensumfeld.

Diskussion

Die Gruppe der nach dem vierten Lebensjahr versorgten und mehrsprachig aufwachsenden Kinder haben teilweise noch ein durchschnittliches Leseverstehen auf der Ebene von Sätzen, dagegen scheint das komplexere Niveau des Sprachverstehens, das für das Verstehen von Texten von Nöten ist, noch nicht erreicht worden zu sein. Auch Vermeulen [3] resümiert aus ihrer Untersuchung, dass cochleaimplantierte Kinder ein besseres Wortverständnis im Vergleich zu den nicht implantieren Kindern zeigten, aber doch leicht hinter den Ergebnissen der hörenden Kinder lagen. Dagegen hatte die Gruppe der jung versorgten und deutschen Kinder einen Vorteil im Hör-Spracherwerb. Die erreichten nicht nur ein deutlich besseres Textverstehen, auch besuchten sie mehrheitlich die allgemeine Grundschule. Auch Marschak [4] sieht die frühe gesprochene Sprachentwicklung als essentielle Bedingung für die Ausbildung einer normalen Leseentwicklung. Eine frühe Diagnose, angemessene apparative Versorgung mit modernen Hörsystemen und eine verantwortliche Hör- Sprachtherapie scheint neuronale Netzwerke aufzubauen, die die Grundlage für das Lernen und den Aufbau von Wissensstrukturen bildet.


Literatur

1.
Christmann U, Groeben N. Psychologie des Lesens. In: Franzmann B, Hasemann K, Löffler D, Schön E, Hrsg. Handbuch Lesen. München: Saur; 1999. S. 145-223.
2.
Lenhard W, Schneider W. ELFE 1-6 Ein Leseverständnistest Für Erst- Bis Sechstklässler, Manual. 1 ed. Göttingen: Hogrefe; 2006.
3.
Vermeulen AM, et al. Reading Comprehension of Deaf Children With Cochlear Implants. Journal of Deaf Studies and Deaf Education 2007;12(3):283-302.
4.
Marschark M, Rhoten C, and Fabich M. Effects of Cochlear Implants on Children's Reading and Academic Achievement. Journal of Deaf Studies and Deaf Education 2007;12:269-82.