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Wie stehen deutsche Hausärzte zur Evidenzbasierten Medizin im Gesundheitswesen?
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Published: | February 22, 2010 |
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Hintergrund: Die nachhaltige Implementierung von Leitlinien in Hausarztpraxen ist schwierig. Liegt es daran, dass sie Evidenzbasierte Medizin (EbM) ablehnen [1], [2]? Welche Haltungen haben deutsche Hausärzte derzeit zur EbM [3]?
Material/Methoden: Die Studie ist mit einem Mixed-Method-Design durchgeführt worden. In der ersten Stufe erfolgte die Durchführung des qualitativen Ansatzes (5 Fokusgruppen mit Hausärzten; Aufzeichnung der Gruppendiskussionen, vollständige Transkription, inhaltsanalytische Auswertung im multiprofessionellen Team). In der zweiten Stufe wurde aus den Ergebnissen des qualitativen Teils ein Fragebogen erstellt. Dieser wurde einem Feld-Pretest mit hundert Hausärzten einer Landes-KV unterzogen. Zudem erfolgte eine Überprüfung mittels kognitiven Pretests. Anschließend wurden die 4-seitigen Fragebögen (5er-Likert-Antwortskala) an 3500 ausgewählte Hausärzte einer repräsentativen Stichprobe in sechs Landes-KVen unter Berücksichtigung von Stadt/Land, Flächenländer/Stadtstaaten, Nord/Süd/West/Ost versendet.
Ergebnisse: Die Rücklaufquote liegt bei 31%. Die Akzeptanz der EbM unter den Hausärzten ist hoch. Ungefähr zwei Drittel aller Ärzte betrachten EbM als wichtige Entscheidungshilfe für ihre tägliche Arbeit. Nur ein Viertel sieht die EbM als Gefahr für den medizinischen Fortschritt. Die Hälfte der Hausärzte betrachtet EbM als Qualitätssicherungsinstrument im Gesundheitswesen. Ein Viertel der Befragten sehen in EbM keine Transparenzsteigerungen für die Beteiligten Akteure im Gesundheitswesen. Ein Drittel aller Beteiligten findet, dass bei Anwendung der EbM sowohl die ärztliche Erfahrung außer Acht gelassen wird als auch eine Förderung der Zwei-Klassen-Medizin erfolgt. Bei den Kenntnisfragen weisen mehr als die Hälfte ein solides Wissen über EbM auf. Diejenigen, die über einen hohen Kenntnisgrad zu EbM besitzen, geben auch eine hohe Akzeptanz gegenüber Entscheidern und Steuerungsgremien an.
Schlussfolgerung/Implikation: Die EbM scheint im Versorgungsalltag angekommen zu sein [4]. Auch wenn es nach Ansicht der Hausärzte zeitweilig an der Praktikabilität mangelt, wird die Bedeutung von EbM erkannt [1]. Daher ist die derzeitige Initiative um evidenzbasierte Leitlinien für die Allgemeinmedizin zu begrüßen [5]. Wissen über EbM und Akzeptanz gegenüber EbM haben im Vergleich zu früheren Ergebnissen zugenommen [3]. Trotzdem werden weitere Bemühungen zur Implementierung und Etablierung der EbM in der hausärztlichen Versorgung von Nöten sein.
Literatur
- 1.
- Blank W, Weingart O. EbM von unten: Sind Fragen nach Evidenz zu klinischen Alltagsproblemen beantwortbar? Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2009;103(7):425-30.
- 2.
- Tracy CS, Dantas GC, Upshur RE. Evidence-based medicine in primary care: qualitative study of family physicians. BMC Fam Pract. 2003;4:6.
- 3.
- Rabady S. Praxisempfehlungen "EbM-Guidelines für Allgemeinmedizin": Erste Erfahrungen mit Implementierung und Akzeptanz. Z Evid Fortbil Qual Gesundhwes. 2009;103(1):27-33.
- 4.
- Meyer T, Strobel A, Raspe H. Evidenz-basierte Medizin aus Sicht niedergelassener Ärztinnen und Arzte: ein repräsentativer Survey zu Akzeptanz und Fortbildungsinteressen. Z Arztl Fortbild Qualitatssich. 2004;98(4):293-300.
- 5.
- Siebolds M. Evidenzbasierte Medizin als Modell der Entscheidungsfindung in ärztlicher Praxis. Z Arztl Fortbild Qualitatssich. 2003;97(4-5):257-62.