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Arzneimittelanalyse bei älteren Patienten in Westfalen-Lippe – Polypragmasie und potenziell ungeeignete Arzneimittel
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Published: | October 12, 2011 |
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Hintergrund: Die Arzneimitteltherapie von älteren Patienten stellt eine besondere und ständige Herausforderung für den behandelnden Arzt dar. Bei der Arzneimitteltherapie von Patienten im höheren Lebensalter sind eine Reihe von Besonderheiten zu berücksichtigen: z.B. eine Abnahme kognitiver Fähigkeiten, Abnahme der Leber- und Nierenfunktion sowie sonstige Stoffwechselveränderungen, Non-Adhärenz, Polypharmazie (≥ 5 Wirkstoffe in Dauermedikation), niedriges Körpergewicht. Chronisch Kranke, meist ältere Patienten, erhalten eine Vielzahl von Medikamenten, mit deren zunehmender Anzahl das Risiko für unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE) steigt. Ziel der Analyse für die Region Westfalen-Lippe war es, die Anzahl der Arzneimittel speziell bei den ≥ 70 Jahre alten Patienten und den Anteil potenziell ungeeigneter Arzneimittel zu bestimmen.
Material und Methoden: Routinedaten, d.h. Rezeptdaten des 3. Quartals 2010 der Region Westfalen-Lippe aller gesetzlichen Krankenkassen. Arzneimittelanalyse der ≥ 70 Jahre alten Patienten mit der PRISCUS-WIdO-Liste (ATC-Liste des WIdO, erstellt in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Frau Prof. Thürmann, [1]).
Ergebnisse: Die Anzahl der Patienten, die ≥ 70 Jahre alt war und im 3. Quartal 2010 mindestens ein Arzneimittel verordnet bekommen hatte, betrug 925.545. Im Durchschnitt bekam jeder Patient 394,9 DDD verordnet. Die durchschnittliche Anzahl der ATC je Patient lag bei 4,7. Ein Drittel der Patienten bekamen mehr als 5 unterschiedliche ATC-Codes verordnet. Ca. 22% der über 70-jährigen Patienten erhielten mehr als 450 DDD im 3. Quartal 2010.
Von diesen ≥ 70 Jahre alten Patienten bekamen 15,8% der Patienten (n = 146.380) mindestens ein potenziell inadequates Arzneimittel der PRISCUS-Liste verordnet. Die potenziell ungeeigneten Arzneimittel stammten insbesondere aus der Gruppe der Schlaf- und Beruhigungsmittel wie Zopiclon (Rang 1, d.h. das am meisten verordnete PRISCUS-Arzneimittel), der Digitalis-Glykoside wie Acetyldigoxin (Rang 2), der Antidepressiva wie Amitriptylin (Rang 3) und Benzodiazepine (Bromazepam = Rang 5, Lorazepam = Rang 6).
Schlussfolgerung: Ca. 5% der Krankenhauseinweisungen gehen in Deutschland auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAE) zurück [2]. Um die Zahl der Krankenhauseinweisungen zu vermindern, die Versorgungsqualität der Arzneimitteltherapie zu erhöhen und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern, ist die Anzahl der potenziell ungeeigneten Arzneimittel gerade bei älteren Patienten über 70 Jahre zu reduzieren.
Auch wenn ältere Menschen sicherlich von Arzneimitteltherapien profitieren können, ist es nicht immer notwendig und nützlich, alle Krankheiten umfassend und jedes Symptom einzeln zu behandeln; ohne das Gesamtbehandlungskonzept aus den Augen zu verlieren. Neu auftretende Symptome können auch unerwünschte Wirkungen der bisherigen Arzneimitteltherapie sein. Absetzen von Arzneimitteln und Beschränkung auf den zeitlich notwendigen Rahmen kann bereits zu Besserungen des Befindens führen und von Vorteil für Patienten sein.