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MAINZ//2011: 56. GMDS-Jahrestagung und 6. DGEpi-Jahrestagung

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

26. - 29.09.2011 in Mainz

Das DALY-Konzept - Unsicherheiten und erforderliche Einschränkungen in verteilungsbasierten Abschätzungen gesundheitlicher Expositionswirkungen (VegAS-Projekt)

Meeting Abstract

  • Michael Schümann - Behörde für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz / BSG, Hamburg
  • Johann Popp - HAW, Hamburg
  • Claudia Hornberg - Universität, Bielefeld
  • Zita Schillmöller - HAW, Hamburg
  • Claudia Terschüren - LIGA/NRW, Bielefeld
  • Odile Mekel - LIGA/NRW, Bielefeld
  • Thomas Claßen - Universität, Bielefeld
  • Nadine Steckling - LIGA/NRW, Bielefeld
  • André Conrad - Umweltbundesamt, Berlin
  • Julia Röttger - HAW, Hamburg

Mainz//2011. 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). Mainz, 26.-29.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11gmds269

doi: 10.3205/11gmds269, urn:nbn:de:0183-11gmds2697

Published: September 20, 2011

© 2011 Schümann et al.
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Hintergrund: Die WHO und zunehmend Institutionen und Forschungsgruppen, wie auch das VegAS-Konsortium, rechnen in Studien zur Beschreibung der Krankheitslast von Gruppen oder Bevölkerungen mit der „burden of disease“-Zielgröße DALY (disability adjusted life years). Die Maßzahl DALY soll zu einer einheitlichen Bewertung von Umweltstressoren beitragen und eine rationale Prioritätensetzung unterstützen. Dieses vereinfachte Maß ist ein rechnerisches Aggregat aus (a) Periodenlebenserwartung, (b) Annahmen und Berechnungen zu verlorenen Lebensjahren, (c) Daten/Annahmen zur Dauer von Erkrankungen oder Behinderungen sowie (d) einer normativen, qualitäts- und nutzentheoretisch begründeten Bewertung von Lebenszeit unter Erkrankung/Behinderung. Weiterhin sind Altersabschläge für Kinder und ältere Personen ebenso möglich wie Abschreibungskoeffizienten für erst in der Zukunft zu erwartende Inzidenzen. Wie das in der Gesundheitsökonomie verankerte QALY -Konstrukt (quality adjusted life years) stellt die DALY-Maßzahl damit eine rechnerische Verknüpfung aus epidemiologischen Daten abgeleiteter Berechnungen mit normativen Einschätzungen dar, dessen Anwendbarkeit epidemiologisch, konzeptionell-skalentheoretisch, gesellschaftlich und ethisch zu prüfen ist.

Material und Methoden: Im Rahmen des VegAS-Projektes wurden bevölkerungsbezogene gesundheitliche Wirkungen von Umweltstressoren (Lärm, Staub, Cadmium, etc.) berechnet und über die Maßzahl DALY miteinander verglichen. Hierzu wurde die Literatur zur Ableitung und Begründung der Methodik gesichtet und geprüft, ob sich eine vereinheitliche Methodik zur Abschätzung von Gesundheitseffekten unter Berücksichtigung der Unterschiedlichkeit von Expositionsbedingungen entwickeln lässt. Andererseits wurde geprüft, ob und welche Gewichtungsfaktoren für das „disability-adjustment“ der Wirkungsgrößen anwendbar und vertretbar erscheinen.

Ergebnisse: Aus epidemiologischer Sicht enthalten die DALYs Unsicherheiten, die u.a. aus der Qualität der Basisdaten zur Mortalität und zur Morbidität (Inzidenz/Prävalenz, Erkrankungsdauer) resultieren. Die Gewichtungsfaktoren (Alter, zukünftige Krankheitslasten) sind ökonomische Bewertungen, die gesellschaftlich umstritten sind. „Diskontierungen“ und Altersgewichtungen werden im VegAS-Projekt daher nicht angewendet. Die Einstufung des DALY-Konzeptes hat sich inhaltlich über die Zeit von einer Gewichtung von Funktionseinschränkungen hin zu einem Maß entwickelt, dass gesellschaftliche Wertungen von Beeinträchtigungen abbildet. Subjektive oder funktionale Bewertungen von Krankheiten, Einschränkungen und Behinderung sind aus skalentheoretischer Sicht nicht ohne Informationsverlust auf einer eindimensionalen Skala abzubilden. Welchen Beitrag das DALY-Konzept unter diesen Bedingungen für den bevölkerungsbezogenen Vergleich gesundheitlicher Effekte durch Umwelt-Stressoren in Deutschland leisten kann, wird für die jeweils betrachteten Einflussfaktoren und Gesundheitsendpunkte gezeigt.

Diskussion/Schlussfolgerungen: Die resultierenden Unsicherheiten und Einschränkungen von DALY/QALY-Betrachtungen sind transparent darzustellen und wissenschaftlich breit zu diskutieren, um Fehlanwendungen, unzulässige Interpretationen und in der Folge falsche Prioritätensetzungen zu vermeiden. Hierbei sind die Lebenslagen exponierter oder beeinträchtigter Bevölkerungsgruppen ausreichend zu berücksichtigen.

Dieses Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.