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Blickbewegungsforschung bei Anorexia nervosa: Einblicke in die Verarbeitung störungsspezifischer Reize
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Published: | February 8, 2012 |
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Hintergrund: Aufgrund der Schwere der Anorexia nervosa und der eingeschränkten Prognose besteht ein hohes Interesse an der Erforschung neurobiologischer Ursachen und Folgen der Erkrankung. Die experimentelle neurobiologische Forschung hat in den letzten Jahren damit begonnen, in verschiedenen Paradigmen die Verarbeitung von Reizen störungsrelevanter Kategorien (insbesondere Nahrung und körperbezogene Reize) bei essgestörten Patientinnen zu untersuchen.
Methoden: Eine relativ neue experimentelle Methode zur Untersuchung der Reizverarbeitung ist das sog. Eye Tracking. Eye Tracking ist ein nicht-invasives Messverfahren, das die zeitlich hoch auflösende Erfassung der Blickbewegungen eines Probanden ermöglicht, während dieser bestimmte Reize exploriert oder eine Aufgabe bearbeitet. Auf diese Weise werden Prozesse visueller Aufmerksamkeitslenkung sichtbar gemacht, die Rückschlüsse auf dahinter liegende motivationale und kognitive Prozesse erlauben. Mittels Eye Tracking haben wir bei Patientinnen der ANTOP-Studie die Verarbeitung von Nahrungsreizen und in einer weiteren Studie bei einer Subgruppe von hyperaktiven Anorexie-Patientinnen die Verarbeitung von bewegungsbezogenen Reizen untersucht.
Resultat: Anorexie-Patientinnen unterschieden sich in ihrer Blickverweildauer auf störungsrelevanten Reizen deutlich von gesunden Frauen. Nahrungsreize betrachteten sie deutlich kürzer, während hyperaktive Patientinnen eine starke Tendenz gegenüber Aktivitätsreizen zeigten. Das Blickverhalten war mit anderen störungsbezogenen Variablen korreliert, darunter dem BMI und dem Ausmaß körperlicher Aktivität.
Schlussfolgerungen: AN-Patientinnen zeigten in ihren Blickbewegungen eine ausgeprägte Vermeidung nahrungsbezogener Information und eine Bevorzugung körperlicher Aktivität. Ergebnisse der Blickbewegungsforschung bestätigen die Hypothese einer gestörten Belohnungsverarbeitung bei der Anorexia nervosa, die nicht nur durch Vermeidung und Anhedonie ausgestaltet scheint, sondern auch durch vermehrtes Interesse an Reizen, die mit Kalorienverbrauch und Gewichtskontrolle assoziiert sind.