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29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

21.09. - 23.09.2012, Bonn

Phoniatrische Aspekte der Therapie von beidseitigen Stimmlippenlähmungen

Vortrag

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bonn, 21.-23.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12dgppV23

doi: 10.3205/12dgpp39, urn:nbn:de:0183-12dgpp394

Published: September 6, 2012

© 2012 Nawka et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Therapie von beidseitigen Stimmlippenlähmungen hat den Nachteil einer Stimmverschlechterung zugunsten einer Verbesserung der Atmung. Um diese Verschlechterung möglichst gering zu halten, sind stimmschonende operative Verfahren gegenwärtig die häufigste Therapie. In Zukunft soll ein Larynx-Schrittmacher eine bedarfsgerechte respiratorische Beweglichkeit einer Stimmlippe ermöglichen. Eine Studie vergleicht die Ergebnisse beider Methoden. In einer Zwischenauswertung werden stimmbezogene Daten evaluiert.

Material und Methoden: Bestimmt wurden Stimmumfang, maximale Phonationszeit, subjektive Selbsteinschätzung (VHI-12), laryngoskopische und stroboskopische Daten von 13 Patienten aus 5 Einrichtungen vor und nach einer glottiserweiternden Operation.

Ergebnisse: Keine signifikante Veränderung war bei folgenden Parametern zu verzeichnen: Dynamischer Stimmumfang (30 vs. 34 dB), Tonhöhenumfang (253 vs. 195 Hz), inspiratorischer peak flow PIF (66,6 vs. 73,3 l/min).

Signifikant änderten sich: Maximale Phonationszeit (10,6 vs. 7,8 s), VHI-12 (20 vs. 16), Glottisweite (2,8 vs. 4,3 mm), verbliebener membranöser Teil der Stimmlippe (4/4 vs. 2/3), Spitzenflusswert PEF (157 vs. 218 l/min), relative Sekundenkapazität (0,62 vs. 0,72).

Diskussion: Durch die konventionelle Glottiserweiterung verbessert sich die Inspiration nicht signifikant. Die Verbesserung der Atemsituation liegt an einer größeren Glottisweite und einem besseren Spitzenflusswert bei der Exspiration. Subjektiv wird die Stimme postoperativ trotz der Zunahme des Glottisspaltes bei Phonation nicht schlechter, sondern eher besser wahrgenommen. Das zusätzliche Potenzial der Elektrostimulation einer gelähmten Stimmlippe liegt darin, dass Phonation und Schlucken nicht gefährdet sind, und dass die Stimmlippe bei Abduktion gespannt wird und dadurch bei der Inspiration einen geringeren Widerstand bietet.


Text

Hintergrund

Die Therapie von beidseitigen Stimmlippenlähmungen hat den Nachteil einer Stimmverschlechterung zugunsten einer Verbesserung der Atmung. Um diese Verschlechterung möglichst gering zu halten, sind stimmschonende operative Verfahren gegenwärtig die häufigste Therapie. Diese Verfahren haben alle gemeinsam, dass die Stimmritze statisch und permanent erweitert wird. Entweder wird ein Teil der Stimmlippe reseziert oder die Stimmlippe wird nach lateral gezogen. Die Absicht bei der Operation ist, möglichst den hinteren, kartilaginären Teil der Glottis zu erweitern. Dort liegt das größte Potenzial für eine Erweiterung, weil grundsätzlich der Raum zwischen den Aryknorpeln den wesentlichen Querschnitt für die Atmung bereitstellt. Um vibrationsfähiges Gewebe zu erhalten, wird der membranöse Teil der Glottis, die Stimmlippe, nur in der Weise reseziert, dass möglichst noch mindestens zwei Drittel an schwingungsfähiger Substanz zurückbleiben.

Die laryngealen Funktionen des Stimmlippenschlusses sind nach beidseitiger Lähmung unterschiedlich stark als Restfunktion erhalten, da bei der festgestellten Reinnervation entweder eine Synkinese auftritt oder eine Denervierung unterschiedlichen Grades zurückbleibt. Dieses Problem kann auf chirurgischem Wege nur durch operative Reinnervationstechniken gelöst werden. Diese haben sich jedoch bisher nicht durchgesetzt.

Als Lösung für das Problem der Ablation und Resektion bzw. statischen Verlagerung zur Glottiserweiterung wird der Einsatz eines Larynx-Schrittmachers entwickelt, der die bedarfsgerechte respiratorische Beweglichkeit einer Stimmlippe mit Unterstützung der Öffnungsbewegung ermöglichen soll.

Die Ergebnisse der Methoden der chirurgischen Glottiserweiterung und der Larynx-Schrittmacherimplantation werden in einer prospektiven Studie verglichen. Die hier vorgelegte Zwischenauswertung von stimmbezogenen Daten soll zeigen, welche Resultate für die chirurgische Methode zu erwarten sind.

Methode

Bestandteil der Datenerhebung der Studie sind der Stimmumfang, die maximale Phonationszeit, die subjektive Selbsteinschätzung (VHI-12) der Behinderung der Stimmfunktion durch den Patienten, laryngoskopische und stroboskopische Daten aus der videostroboskopischen Untersuchung. In dieser Publikation werden 13 Patienten aus 5 Einrichtungen vor und nach einer glottiserweiternden Operation beurteilt; 10 Frauen im Alter zwischen 45 und 73 (Median 58) und 3 Männer zwischen 19 und 62 Jahren (Median 59). Die Ursachen waren idiopathische Lähmung in einem Fall, Langzeitintubation in der Kindheit im zweiten Fall und Strumektomie in den restlichen 11 Fällen. Die Lähmung bestand bei allen mindestens 12 Monate, meistens waren es mehrere Jahre, so dass eine spontane Wiederkehr der Beweglichkeit nicht mehr zu erwarten war.

Ergebnisse

Der hauptsächliche Gegensatz der Ergebnisse ist in der Verbesserung der Atmung zur damit verbundenen Verschlechterung der Stimme zu sehen. Daher sind besonders diese beiden Funktionsprüfungen für die Bewertung von Interesse (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Die atembezogenen Werte waren der inspiratorische peak flow PIF, Spitzenflusswert PEF und die relative Sekundenkapazität.

Als stimmbezogene Daten wurden der dynamische Stimmumfang, der Tonhöhenumfang, der Jitter, die maximale Phonationszeit und der VHI-12 ausgewertet.

Die bewerteten strukturellen operationsbedingten Veränderungen waren die Glottisweite und der verbliebene membranöse Teil der Stimmlippe.

Die Schluckfunktion verschlechterte sich in keinem Fall. Die Operationen lösten keine Dysphagie aus.

Diskussion

Die bisherigen Resultate bestätigen, dass durch die konventionelle Glottiserweiterung die beabsichtigte strukturelle Veränderung mit einer Vergrößerung des Querschnitts erreicht wird. Damit verbessern sich auch die Atemparameter signifikant. Die Verbesserung der Atemsituation liegt an einer größeren Glottisweite und einem besseren Spitzenflusswert bei der Exspiration. Für die Patienten wird das auch spürbar. Es tritt jedoch keine Normalisierung ein. Dass die Patienten immer noch deutliche Einschränkungen ihrer körperlichen Belastbarkeit spüren, lässt sich anhand der Ergebnisse am besten dadurch erklären, dass die Inspiration sich nicht signifikant verbessert.

Überraschend ist, dass die subjektiv empfundene Beeinträchtigung der Stimmfunktion postoperativ trotz der Zunahme des Glottisspaltes bei Phonation nicht durchweg stärker, sondern in einer Mehrzahl der Fälle eher geringer eingeschätzt wird. Das Absinken der maximalen Phonationszeit und die Zunahme des Jitters zeigen dennoch, dass objektiv eine Verschlechterung der Stimmfunktion vorliegt.

Durch die Therapie mit einer elektrischen Stimulation des Glottisöffners sind mehrere positive Effekte zu erwarten: Phonation und Schlucken sind nicht gefährdet und bleiben unverändert erhalten, weil die Struktur nicht verändert wird. Die Respiration verbessert sich nicht nur bei der Exspiration. Das zusätzliche Potenzial liegt darin, dass die Stimmlippe bei Abduktion gespannt wird und die Glottis dadurch auch bei der Inspiration einen geringeren Widerstand bietet.