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Mikrochirurgische Defektdeckung und Rekonstruktion des Gesichtes nach schwerem Schrotschusstrauma: Ein Fallbericht mit Darstellung spezieller mikrochirurgischer und plastisch-rekonstruktiver Operationstechniken
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Published: | September 10, 2012 |
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Einleitung: Gesichtsverletzungen durch Schrotwaffen können zu sehr ausgedehnten und komplexen Defekten führen. Die funktionelle und ästhetische Rekonstruktion wird möglich, wenn die Vitalität der erhaltenen Gewebeanteile sicher ist. Mehrzeitiger mikrochirurgischer Gewebetransfer bringt vitales Gewebe in das stark traumatisierte Defektareal. Plastisch rekonstruktive Korrekturen ermöglichen schrittweise eine Rehabilitation des Patienten.
Kasuistik: Am 08.10.2008 hatte sich ein 54-jähriger Mann in suizidaler Absicht mit einer Schrotflinte die linke Gesichtsseite weggeschossen. Der linke Unterkiefer war nicht mehr identifizierbar, die Wangenweichteile und der linke Mundwinkel fehlten, Jochbein, Orbitaboden und Oberkiefer waren zertrümmert, der N. fazialis zerfetzt (Abbildung 1 [Abb. 1]).
Anhand von Fotodokumentationen werden die Schritte der mehrzeitigen mikrochirurgischen und korrigierenden Rekonstruktionen, die bis Mai 2012 erfolgt sind, dargestellt: Zwei Wochen nach Akutversorgung, Stabilisierung des Allgemeinzustandes und periorbitaler Frakturversorgung erhielt der Patient ein mikrochirurgisches Fibulatransplantat mit 2 Hautinseln zur Rekonstruktion des Unterkiefers und benachbarter Weichteile. Nach weiteren 2 Wochen gelang der Verschluss des durchgehenden Wangendefektes mit einem mikrochirurgischen Latissimus-dorsi Lappen. Es folgte auf Wunsch des Patienten eine mehrmonatige Konsolidierungsphase. Ober- und Unterkiefer, sowie ein intraorales Weichteildefizit wurden schließlich mit einem dritten mikrochirurgischen Transplantat (osteomyokutane Fibula) augmentiert. Die ästhetische und funktionelle Beeinträchtigung (aufgrund der Fazialisparese) konnte durch eine dynamische M. temporalis Transposition deutlich gebessert. Nach Insertion von Zahnimplantaten soll nun suffizienter Zahnersatz eingegliedert werden.
Ergebnisse: Alle 3 Transplantate sind eingeheilt. Die Knochen- und Weichteildefekte konnten mit gesundem Gewebe aufgefüllt werden. Als Anschlussgefäße wurden die großen Halsgefäße (ACE und VJI) gewählt. In End-zu-Seit-Technik konnte ein Transplantat links, ein zweites mit extendiert präpariertem Gefäßstiel rechts anastomosiert werden. Das dritte Transplantat wurde ebenfalls kontralateral (rechts) angeschlossern, allerdings mit einem Veneninterponat zur Gefäßstielverlängerung. Im Verlauf traten folgende Komplikationen auf: Nekrose einer intraorale Perforator-Hautinsel, eine Speichelfistel, mehrere entzündliche Reaktionen und kleinere nekrosen am Wundrand.
Die dynamische M. temporais Transposition hat eine gewisse mimische Ausdrucksmöglichkeit zurückgegeben. Nach Versorgung mit Zahnersatz ist die Nahrungsaufnahme fast ungestört (Abbildung 2 [Abb. 2]).
Schlussfolgerung: Das Fibulatransplantat bietet die Möglichkeit, den Knochen durch Segmentierung zu formen. Mehrere Hautinseln können unabhängig voneinander positioniert werden. Der Latissimus dorsi Lappen wird bei großen Volumenverlusten bevorzugt und bietet die Möglichkeit, den Gefäßstiel durch Präpatarion bis hoch in die Axilla und entlang der Eintrittsstrecke in den Muskel zu verlängern. Wenn ausreichend gesundes Gewebe vorhanden ist, kann durch zusätzliche Korrektureingriffe eine weitere ästhetische und funktionelle Verbesserung erreicht werden. Die dynamische M. temporalis Transposition ermöglicht dem Patienten durch Aktivierung der Kaumuskulatur den Mundwinkel anzuheben (Lächeln). Durch die Zahnimplantaten kann trotz der abweichenden Kieferknochenposition Zahnersatz getragen werden. Der Patient ist mit dem ästhetischen und funktionellen Ergebnis sehr zufrieden und durch begleitende psychotherapeutische Behandlung in einer stabilen Verfassung.