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GMDS 2012: 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

16. - 20.09.2012, Braunschweig

Zahntechnik im Umbruch – Integration von computerassistierten Diagnose-, Planungs- und Fertigungsverfahren in die kieferorthopädische Praxis

Meeting Abstract

  • Michael Schaaf - Universität Leipzig, Deutschland
  • Gert Funkat - Universität Leipzig, Deutschland
  • Karl-Friedrich Krey - Universitätsklinikum Leipzig AöR, Leipzig, Deutschland
  • Karl-Heinz Dannhauer - Universitätsklinikum Leipzig AöR, Leipzig, Deutschland
  • Alfred Winter - Universität Leipzig, Deutschland

GMDS 2012. 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Braunschweig, 16.-20.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12gmds048

doi: 10.3205/12gmds048, urn:nbn:de:0183-12gmds0486

Published: September 13, 2012

© 2012 Schaaf et al.
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Text

Einleitung und Fragestellung: Mit der rasanten Entwicklung neuer Technologien stehen auch dem zahnärztlichen Sektor vielversprechende computerassistierte Diagnose-, Planungs- und Fertigungsverfahren zur Verfügung. Die konventionelle Abformtechnik zur Erstellung von Kiefermodellen ist unangenehm für den Patienten, ungenau, teilweise fehleranfällig und verursacht einen hohen Arbeits-, Material- und Zeitaufwand [1]. Mit der Einführung hochpräziser, optischer Messmethoden könnten die konventionellen Abformtechniken vollständig ersetzt werden und somit Optimierungspotential für etablierte Behandlungspfade entstehen. Die direkte Erfassung der intraoralen Situation und die Sicherung als digitales 3D-Modell machen die Fertigung und revisionssichere Aufbewahrung physischer Gipsmodelle unter Umständen bald überflüssig. Digitale, optische Messmethoden erreichen heute eine höhere Genauigkeit als die konventionelle Abformtechnik und werden zunehmend von Zahnärzten eingesetzt [2], [3]. Eine Herausforderung besteht derzeit in der Integration eines geeigneten Verfahrens zur Modellrekonstruktion digital erfasster Datensätze in den klinischen Workflow. Aktuell ist ungeklärt, ob die vollständige Digitalisierung des Workflows (Intraoraler Scan + 3D-Rekonstruktion) den hohen Präzisionsanforderungen der Kieferorthopädie entsprechen kann. Am Beispiel einer kieferorthopädischen Abteilung werden die Integrationsmöglichkeiten aktueller Technologien zur Verbesserung bestehender Prozessstrukturen analysiert und bewertet.

Material und Methoden: Die Arbeitsabläufe konventioneller Abformungen wurden im Rahmen einer Systemanalyse in einem IST-Prozessmodell (eEPKn) abgebildet und die Integrationsmöglichkeiten eines optischen Messsystems und eines digitalen Reproduktionsverfahrens in einem SOLL-Prozessmodell definiert. Im zweiten Schritt wurden intraorale Messsysteme und geeignete Reproduktionstechnologien analysiert. Die Messverfahren nutzen zur optischen Erfassung Laser bzw. LEDs und basieren auf Streifenlichtprojektion, Lichtschnittverfahren oder Active-Wavefront Sampling. Die Modellfertigung kann durch neu entwickelte und am Markt verfügbare 3D-Drucker realisiert werden.

Basierend auf einem detaillierten Kostenmodell werden verschiedene optische Messsysteme und digitale Fertigungstechnologien in einer anschließenden Systembewertung hinsichtlich der Faktoren Präzision, Kosten und Zeitaufwand verglichen.

Ergebnisse: Mit Einführung digitaler Mess- und Fertigungsmethoden wird im SOLL-Modell ein Großteil erforderlicher Prozessschritte zur Gipsmodellherstellung überflüssig, was zu einer deutlichen Zeitersparnis beim Abformungsprozess und insbesondere beim Fertigungsprozess führt. Verschiedene Studien zeigen, dass mit optischen Messmethoden basierend auf dem Verfahren der Streifenlichtprojektion deutlich höhere Messungenauigkeiten als mit konventionellen Abformtechniken erzielt werden können (Quadrantenabweichung: 35.4 µm gegenüber konventionell 72±33 µm) [2]. Die physische Fertigung eines digitalen CAD-Datensatzes wird mittels 3D-Printing und Verwendung spezieller, für den Dentalmarkt entwickelter Materialien erreicht. Nach eigenen Untersuchungen können aktuelle Reproduktionsverfahren (3D-Druck) eine Genauigkeit von knapp 100 µm erreichen. Insgesamt kann die digitalen Abformung und Reproduktion die in der Kieferorthopädie geforderte maximale Messungenauigkeit von 200–500 µm deutlich einhalten [4]. Die Kosten für den vollständig digitalisierten Workflow lassen sich um bis zu 22% reduzieren.

Diskussion: Die digitale Abformung und Reproduktion von Kiefermodellen unter Verwendung derzeitig verfügbarer Technologien genügt den hohen Präzisionsanforderungen der Kieferorthopädie, vereinfacht den Behandlungsprozess deutlich und ermöglicht die revisionssichere Archivierung der digitalen Kiefermodelle. Kritisch zu betrachten sind Hersteller, die erfasste Modelldaten in eigenen Datenbanken sichern und anbieterabhängig bis zu 25 Euro je Datensatz in Rechnung stellen. Seit Anfang 2012 werden zunehmend offene Systeme vorgestellt, die auf Scangebühren verzichten und die lokale Sicherung und Verwaltung der digitalen Datensätze ermöglichen. Aktuelle 3D-Drucktechnologien könnten neben der Kieferorthopädie besonders in den Bereichen Prothetik und konservierende Zahnheilkunde Anwendung finden. Dessen ungeachtet muss geklärt werden, welche rechtlichen Rahmenbedingungen für die Akzeptanz und Vergütung durch die Krankenkassen erfüllt werden müssen.


Literatur

1.
Kern M. Abformung – Digital bald Standard? Dent Mag. 2011;29(3):XY-Z.
2.
Arnetzl G. Optische versus konventionelle Abformung – wie präzise sind die Methoden? ZMK 26. 2010;Spec:19-24.
3.
Mehl A, Ender A, Mörmann W, Attin T. Accuracy testing of a new intraoral 3D camera. Int J Comp Dent. 2009;12:11-28.
4.
Loos R. Vergleichende Untersuchung von intraoraler und extraoraler Digitalisierung nach Modellherstellung mit CEREC-3D [dissertation]. Dresden: TU; 2008.