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GMDS 2012: 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

16. - 20.09.2012, Braunschweig

Was ist das „optimale“ Impfalter für die HPV-Impfung in Deutschland – Ergebnisse eines mathematischen Modells

Meeting Abstract

  • Johannes Horn - Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Bremen, Deutschland
  • Oliver Damm - Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Deutschland
  • Mirjam Kretzschmar - University Medical Centre Utrecht, Niederlande
  • Yvonne Deleré - Fachgebiet Impfprävention, Robert Koch Institut, Berlin, Deutschland
  • Ole Wichmann - Fachgebiet Impfprävention, Robert Koch Institut, Berlin, Deutschland
  • Edeltraut Garbe - BIPS – Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung, Bremen, Deutschland
  • Andreas Kaufmann - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • Alexander Krämer - Universität Bielefeld, Deutschland
  • Wolfgang Greiner - Universität Bielefeld, Deutschland
  • Rafael Mikolajczyk - BIPS – Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung, Bremen, Deutschland

GMDS 2012. 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Braunschweig, 16.-20.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12gmds167

doi: 10.3205/12gmds167, urn:nbn:de:0183-12gmds1670

Published: September 13, 2012

© 2012 Horn et al.
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Hintergrund: Die Humanen Papillomvirus (HPV) Typen 16 und 18 sind mit etwa 70% aller Gebärmutterhalskrebsfälle assoziiert. Die Zulassung des quadrivalenten Impfstoffs (gegen die HPV Typen 6/11/16/18) erfolgte durch die EMA im September 2006; die des bivalenten Impfstoffs (HPV Typen 16/18) im September 2007. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung von Mädchen im Alter von 12–17 Jahren. Einige Krankenkassen übernehmen darüber hinaus die Kosten der Impfung bis zu einem Alter von 26 Jahren. Für Jungen existiert keine Impfempfehlung; die Impfkosten werden daher generell nicht übernommen. Ziel der Studie war es, die optimale Impfstrategie für die HPV Impfung zu modellieren. Dabei wurden vor allem die zwei Aspekte untersucht: das Impfalter von Mädchen und die Ausweitung der Impfempfehlung auf Jungen.

Methoden: Anhand eines dynamischen mathematischen Modells wurden verschiedene Impfstrategien im Hinblick auf ihre Effektivität zur Reduktion HPV assoziierten Krankheitszuständen. Der Kern des Modells besteht aus einem Markov Modell für den natürlichen Krankheitsverlauf von der Infektion bis zum Auftreten von Gebärmutterhalskrebs. Die sexuelle Transmission wird dynamisch modelliert unter Berücksichtigung von altersstratifizierten sexuellen Kontaktraten. Zur Krebsfrüherkennung werden das jährliche Pap-Screening sowie die Abklärung auffälliger Befunde herangezogen. Zur Beurteilung der Impfstrategie wurden neben der Gebärmutterhalskrebsinzidenz und -mortalität , die Prävalenz von Zervixdysplasien (CIN), die Inzidenz von Carcinoma in situ (CIS), die Inzidenz von anogenitalen Warzen und die Prävalenz der HPV-Infektion herangezogen. Der Zeithorizont beträgt 100 Jahre. Kalibriert wurde das Modell für alle oben genannten Variablen.

Ergebnisse: Unter Basisfallannahmen liegt das ideale Impfalter für Mädchen bei 14 Jahren. Unter Basisfallannahmen werden für die jeweiligen Impfalter 12, 14, 16 und 18 Jahre durch die Impfung im Untersuchungszeitraum 100.000, 103.000, 100.000 und 88.000 Gebärmutterhalskrebsfälle verhindert. Dabei spielen die Faktoren i) die Wirkung der Impfung bei seropositiven und zugleich DNA-negativen Personen sowie ii) die Dauer des Impfschutzes die wichtigste Rolle. Für die Entscheidung zur Ausweitung der Impfung auf Jungen ist die Bedeutung sexueller Kontakte zwischen Männern für die Verbreitung von HPV, die Bewertung von anogenitalen Warzen und anderer HPV-assoziierten Krebsarten wie Anal- und Peniskarzinom sowie einiger Krebserkrankungen des Kopf-, Hals- und Nackenbereiches ausschlaggebend. Die Impfung von Jungen stellte sich nur in sehr wenigen Szenarien (nur bei Berücksichtigung anogenitaler Warzen, anderer Krebsarten) als vorteilhaft dar, aber selbst in diesen Fällen liefert eine hohe Impfquote bei Mädchen bessere Resultate (Neuinfektionen mit HPV 6/11/16/18 bei Impfquote Mädchen 60% 39 Millionen; Neuinfektionen bei Impfquote 30% für Jungen und Mädchen 51 Millionen).

Schlussfolgerungen: Eine Impfung mit 14 Jahren bedeutet im Vergleich zu den meisten anderen Ländern Europas eine Verzögerung um zwei Jahre. In Deutschland werden deutlich mehr Mädchen nach ihren 14. Lebensjahr geimpft als davor [1]. Zur Maximierung der Impfeffektivität sollten Mädchen früher geimpft werden. Für die generelle Ausweitung der Impfung auf Jungen zeigen sich wenige Argumente. Ressourcen sollten präferentiell für eine hohe Durchimpfung bei Mädchen eingesetzt werden, da dadurch auch heterosexuelle Männer geschützt werden können. Australische populationsbasierte Studien zeigen eine hohe indirekte Wirksamkeit durch Herdenimmunität bei nicht geimpften männlichen Jugendlichen. Aus klinischer Sicht ist die Impfung homosexueller Männer sinnvoll, da sie nicht durch eine Herdenimmunität bei einer hohen Impfquote von Frauen geschützt sind


Literatur

1.
Wild F. Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) – Eine Analyse der Verordnungsdaten Privatversicherter. WIP-Diskussionspapier 3/201.