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Entscheiden trotz Unsicherheit: 14. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

15.03. - 16.03.2013, Berlin

Die Doppelkontrolle – Eine evidenzbasierte Maßnahme für mehr (Medikations-)Sicherheit? Ergebnisse einer Literaturrecherche

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Christine Hahnenkamp - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin, Deutschland
  • author Julia Rohe - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin, Deutschland
  • author Tina Dichtjar - Berufsverband Deutscher Anästhesisten e.V. (BDA) Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), Nürnberg, Deutschland
  • author Christian Thomeczek - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin, Deutschland
  • author Alexander Schleppers - Berufsverband Deutscher Anästhesisten e.V. (BDA) Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), Nürnberg, Deutschland

Entscheiden trotz Unsicherheit. 14. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Berlin, 15.-16.03.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. Doc13ebmP101

doi: 10.3205/13ebm096, urn:nbn:de:0183-13ebm0969

Published: March 11, 2013

© 2013 Hahnenkamp et al.
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Text

Hintergrund: Medikationsfehler zählen zu den häufigsten Behandlungsfehlern im Gesundheitswesen [1]. Patientensicherheitsexperten empfehlen zur Verbesserung der Medikationssicherheit u.a. die „Doppelkontrolle“ als effektive Maßnahme. Darunter versteht man, dass zwei qualifizierte, medizinische Fachkräfte, unabhängig voneinander die Medikamente eines Patienten überprüfen, bevor sie appliziert werden. Ungeachtet der verbreiteten Empfehlung von Doppelkontrollen in der Arzneimittelversorgung gibt es bislang kaum Untersuchungen zur Effektivität dieser Maßnahme.

Methoden: Ein Literatur-Review wurde in PubMed mit folgenden Suchbegriffen durchgeführt: „double checking“, „double check“, „double checks“, „two-person checking“, „double-checking“, „double-check“ und „double-checks“. Die identifizierten Publikationen wurden nach Aktualität (2002–2012) und Relevanz ausgewählt. Es verblieben acht Studien, die um drei weitere aus der Handsuche ergänzt wurden. Bei den 11 Publikationen handelt es sich um vier Übersichten (zwei systematische, zwei narrative), zwei quantitative und fünf qualitative Studien.

Ergebnisse: In der aktuellen Fachliteratur gibt es nur wenige Studien, welche die Verbesserungsmaßnahme Doppelkontrolle evidenzbasiert bewerten.

Primär untersuchten die qualitativen Studien die Akzeptanz und Bedingungen für die Durchführbarkeit von Doppelkontrollen in der Arzneimittelversorgung im Krankenhaus. Sie zeigen, dass medizinische Fachkräfte, meistens das Pflegepersonal, die Doppelkontrolle als effektive Maßnahme zur Identifikation und Reduktion von Medikations-fehlern auffassen. Der Prozess „Doppelkontrolle“ ist dabei aber nicht immer klar definiert. Als Barrieren für die Durchführbarkeit von Doppelkontrollen wurden u.a. fehlendes Fehlerbewusstsein, Autoritätsgefälle und die knappen Ressourcen im Krankenhaus wie Zeit und Personal identifiziert [2], [3], [4], [5], [6]. Weitere Studien zeigen, dass durch die Einführung der Doppelkontrolle Medikationsfehler reduziert werden können [7], [8], [9], [10]. Für eine übergreifende Empfehlung zur Durchführung der Doppelkontrolle reicht die Evidenzgrundlage jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht aus.

Schlussfolgerung: Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass vor einer flächendeckenden Implementierung im Gesundheitswesen genauer erforscht werden sollte, bei welchen Arbeitsabläufen, unter welchen Bedingungen und im welchem Ausmaß eine Doppelkontrolle zur Vermeidung von Medikationsfehlern wirksam sein kann.


Literatur

1.
Landrigan CP, Parry GJ, Bones CB, Hackbarth AD, Goldmann DA, Sharek PJ. Temporal trends in rates of patient harm resulting from medical care. N Engl J Med. 2010;363:2124-2134.
2.
Henneman EA, Gawlinski A, Blank FS, Henneman PL, Jordan D, McKenzie JB. Strategies Used by Critical Care Nurses to Identify, Interrupt, and Correct Medical Errors. Am J Crit Care. 2010;19:500-509.
3.
Dickinson A, McCall E, Twomey B, James N. Paediatric nurses’ understanding of the pro-cess and procedure of double-checking medications. Journal of Clinical Nursing. 2010;19:728-735.
4.
Armitage G. Double checking medicines: defence against error or contributory factor? J Eval Clin Pract. 2008;14(4):513-9.
5.
Elder NC, Brungs SM, Nagy M, Kudel I, Render ML. Intensive care units nurses‘ perceptions of safety after a highly specific safety intervention. Qual Saf Health Care. 2008;17:25-30.
6.
Evley R, Russell J, Mathew D, Hall R, Gemmell L, Mahajan RP. Confirming the drugs administered during anaesthesia: a feasibility study in the pilot National Health Service sites, UK. Br J Anaesth. 2010;105(3):289-96.
7.
Alsulami Z, Conroy S, Choonara I. Double checking the administration of medicines: what is the evidence? A systematic review. Arch Dis Child. 2012;97:833-837.
8.
Jensen LS, Merry AF, Webster CS, Weller J, Larsson L. Evidence-based strategies for preventing drug administration errors during anaesthesia. Anaesthesia. 2004;59(5):493-504.
9.
Ross LM, Wallace J, Paton JY. Medication errors in a paediatric teaching hospital in the UK: five years operational experience. Arch Dis Child. 2000;83(6):492-7.
10.
Meyer-Massetti C, Conen D. Erfassung, Häufigkeit, Ursachen und Prävention von mediaktionsfehlern – eine kritische Analyse. Therapeutische Umschau. 2012;69(6):347-352.