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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

26.09. - 28.09.2013, Graz, Österreich

Empathie im Arzt-Patienten-Gespräch: Wie kann uns die linguistische Gesprächsanalyse helfen, teachable moments zu identifizieren?

Vortrag

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  • corresponding author Marlene Sator - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland
  • Jobst-Hendrik Schultz - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland; Kompetenzzentrum für Prüfungen in der Medizin / Baden-Württemberg, Heidelberg, Deutschland
  • Jana Jünger - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland; Kompetenzzentrum für Prüfungen in der Medizin / Baden-Württemberg, Heidelberg, Deutschland

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Graz, 26.-28.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV12_02

doi: 10.3205/13gma218, urn:nbn:de:0183-13gma2183

Published: August 20, 2013

© 2013 Sator et al.
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Text

Hintergrund: Empathie wird als die kognitive Fähigkeit angesehen, Erfahrungen und Perspektiven des Patienten verstehen und dieses Verständnis gegenüber dem Patienten auch ausdrücken zu können [1]. Wie ÄrztInnen dies auf der interaktionalen Mikro-Ebene des Arzt-Patienten-Gesprächs genau umsetzen, ist bislang wenig erforscht. Dieses Wissen ist jedoch eine zentrale Voraussetzung für die gezielte Vermittlung empathischer Kompetenzen im Medizinstudium.

Fragestellung: Wie vermitteln Studierende im Rahmen von simulierten Arzt-Patienten-Gesprächen ihren PatientInnen, dass sie ihre Erfahrungen und Perspektiven verstehen können, und an welchen Stellen nehmen sie diese Gelegenheit nicht wahr?

Methode: Im Rahmen einer Pilotstudie wurden 20 Gesprächen zwischen Medizinstudierenden und SimulationspatientInnen mit somatoformer Störung auf Video aufgezeichnet. Ausschnitte aus diesen Gesprächen wurden linguistisch transkribiert. Darin wurden empathische und nicht-empathische Stellen identifiziert und mit Hilfe der Linguistischen Gesprächsanalyse [2], [3], [4] in Hinblick auf das verbale und non-verbale Verhalten der InteraktionsteilnehmerInnen qualitativ ausgewertet.

Ergebnisse: Es konnte gezeigt werden, dass das gesprächsanalytische Konzept der „Affiliation“ bzw. „Disaffiliation“ [5], [6] auf die Auswertung von Anamnesegespräche in der medizinischen Ausbildung übertragbar ist. Empathisches Verständnis vollzieht sich in drei Sequenzpositionen [7]:

1.
Die Simulationspatientin stellt eine problematische Erfahrung dar und gibt damit dem Medizinstudierenden Gelegenheit, empathisches Verhalten zu zeigen.
2.
Der Medizinstudierende zeigt affiliatives Verhalten z.B. in Form von Nicken, Zustimmung, fehlender Turn-Übernahme, Zuhörersignalen, deutlichem Einatmen etc. oder disaffiliatives Verhalten z.B. indem er sich einer Rückmeldung enthält.
3.
Die Simulationspatientin zeigt durch verstärktes Ausdrücken von Emotionen, dass sie das ärztliche Verhalten als empathisch interpretiert, oder durch ihrerseits disaffiliatives Verhalten, dass sie das ärztliche Verhalten nicht als empathisch interpretiert. Damit können Stellen identifiziert werden, die geeignet sind, empathische Entwicklungen in Gesprächen zu fördern bzw. zu verhindern.

Diskussion: Linguistische Sequenzanalysen untersuchen die Interaktion zwischen Medizinstudierenden und SimulationspatientInnen unter Berücksichtigung ihrer Prozessualität und Kontextualität. Sie vermögen damit zum einen, grundlagenwissenschaftlich wertvolle Einsichten zum Verständnis von Empathie zu liefern. Zum anderen können die Transkriptanalysen helfen, teachable moments zu identifizieren.


Literatur

1.
Hojat M, Mangione S, Nasca TJ, Cohen MJ, Gonnella JS, Erdmann JB, Veloski J. The Jefferson Scale of Physician Empathy: Development and Preliminary Psychometric Data. Educ Psychol Meas. 2001;61(2):349-365. DOI: 10.1177/00131640121971158 External link
2.
Maynard DW, Heritage J. Conversation analysis, doctor-patient interaction and medical communication. Med Educ. 2005;39(4):428-435. DOI: 10.1111/j.1365-2929.2005.02111.x External link
3.
Deppermann A. Gespräche analysieren: eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; 2008. DOI: 10.1007/978-3-531-91973-7 External link
4.
Heritage J. The interaction order and clinical practice: Some observations on dysfunctions and action steps. Patient Educ Couns. 2011;84(3):338-343. DOI: 10.1016/j.pec.2011.05.022 External link
5.
Stivers T. Stance, alignment and affiliation during storytelling: When nodding is a token of affiliation. Res Lang Soc Inter. 2008;41(1):31-57. DOI: 10.1080/08351810701691123 External link
6.
Steensig J, Drew P. Introduction: Questioning and affiliation/ disaffiliation in interaction. Dis Stud. 2008;10(1):5-15. DOI: 10.1177/1461445607085581 External link
7.
Muntigl P, Knight N, Watkins A. Empathic practices in psychotherapy. Displaying understanding and affiliation with clients. In: Graf EM, Sator M, Spranz-Fogasy T (Hrsg). Interaction Types across Helping Professions - Differences, Similarities and Interferences of Communicative Tasks. Amsterdam, Philadelphia: Pragmatics and Beyond - Forthcoming.