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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

Ein benutzer- und aufgabenzentriertes mobiles Anwendungssystem für den Massenanfall von Verletzten

Meeting Abstract

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  • Tilo Mentler - Universität zu Lübeck, Institut für Multimediale und Interaktive Systeme, Lübeck, DE
  • Michael Herczeg - Universität zu Lübeck, Institut für Multimediale und Interaktive Systeme, Lübeck, DE

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.5

doi: 10.3205/13gmds109, urn:nbn:de:0183-13gmds1098

Published: August 27, 2013

© 2013 Mentler et al.
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Einleitung und Fragestellung: Die Arbeit von Rettungsfachpersonal und Notärzten ist einerseits von mehrmals täglich zu leistenden Krankentransporten und Notfalleinsätzen und andererseits von seltenen Massenanfällen von Verletzten (MANV) geprägt. Derzeit werden diverse Formulare sowie eine Vielzahl von Kommunikationswegen (Funk, Telefon, Melder, persönliches Gespräch) verwendet, die zwar flexible Arbeitsweisen ermöglichen, aber die Informationsflüsse, insbesondere bei größeren Schadenslagen, erschweren bzw. verzögern können. Durch mobile computerbasierte Lösungen sollen sowohl eine höhere Datenqualität und Arbeitseffizienz als auch eine optimierte Kommunikation, Kooperation und Koordination der beteiligten Einsatzkräfte ermöglicht werden. Jedoch stellen der mobile Kontext rettungsdienstlicher Tätigkeit, die Anforderungen an Datenqualität und Bediensicherheit sowie das Einwirken zahlreicher Stressoren auf die Benutzer besondere Anforderungen an die Systemgestaltung. Ziel unseres Projektes war die Unterstützung der rettungsdienstlichen Arbeiten bei einem MANV durch ein mobiles computerbasiertes Dokumentations- und Informationssystem, dessen Bedienkonzepte bereits aus dem Routinebetrieb bekannt sind. Der besondere Fokus lag dabei auf einer gebrauchstauglichen generischen Benutzungsschnittstelle für den Routine- und den Ausnahmebetrieb.

Material und Methoden: Im Rahmen eines menschenzentrierten Entwicklungsprozesses nach ISO 9241-210:2011 [1] wurden durch die Durchführung mehrerer Workshops mit Vertretern verschiedener Rettungsdienstbereiche, der teilnehmenden Beobachtung an zwei Großübungen, der Teilnahme an notfallmedizinischen Symposien und Fortbildungen sowie einer Umfrage unter 14 Ärztlichen Leitern Rettungsdienst Anforderungen an ein mobiles Dokumentations- und Informationssystem beim MANV ermittelt [2] und in einem Systemkonzept abgebildet. Dieses wurde ausgehend von Papierentwürfen und Mock-Ups iterativ implementiert und fortlaufend mit Experten in Einzelgesprächen und Workshops formativ evaluiert. Darüber hinaus wurde der Prototyp einem breiten Publikum auf einer Fachmesse vorgestellt. Eine abschließende summative Evaluation auf Grundlage der ISO 9241-110:2008 [3] wurde bei einer MANV-Übung durchgeführt.

Ergebnisse: Vertreter verschiedener Rettungsdienste sprechen sich für eine ganzheitliche Systemlösung für die Dokumentation und Information im Rettungsdienst aus [4]. Insbesondere wird eine ausschließlich beim MANV einsetzbare Lösung kritisch beurteilt, da die Seltenheit der Verwendung und die außergewöhnliche Beanspruchung der Benutzer einer sicheren Bedienung ohne längere Eingewöhnungszeiten entgegenwirken würden. Daher ist eine konsistente und erwartungskonforme Gestaltung der Benutzungsschnittstelle vom Krankentransport bis zum MANV anzustreben. Im MANV-Anwendungsfall muss das Anwendungssystem primär eine effiziente und sichere Registrierung und Sichtung der Patienten unterstützen. In diesem Zusammenhang wird ein hybrider Ansatz aus mobilen Endgeräten und papierbasierten Patientenanhängekarten, die das Ablesen der Sichtungskategorie ohne technische Hilfsmittel ermöglichen, einer vollständig elektronischen Variante, wie sie beispielsweise im WIISARD-Projekt [5] evaluiert wurde, vorgezogen. Eine sich automatisch und unmittelbar ergebende Übersichtsdokumentation, die mittels Sortier- und Filterfunktionen durch den Benutzer angepasst werden kann, wird als wesentlicher Vorteil einer computerbasierten Lösung angesehen. Weiterhin sollten ortsbezogene Informationen auf einer digitalen Lagekarte visualisiert werden.

Diskussion: Papierbasierte Arbeitsmittel werden im Rettungsdienst zunehmend durch mobile computerbasierte Anwendungssysteme ergänzt oder ersetzt. Neben ihrer technischen Zuverlässigkeit ist eine gebrauchstaugliche Gestaltung der Benutzungsschnittstelle von entscheidender Bedeutung für die Eignung in diesem sicherheits- und zeitkritischen Kontext. Es werden Interaktionskonzepte benötigt, die sowohl eine effiziente Erledigung von Routineaufgaben als auch eine effektive und sichere Arbeitsweise bei außergewöhnlichen Ereignissen unterstützen, um Akzeptanz und Bediensicherheit durch die Benutzer sicherzustellen. Darüber hinaus muss die Interoperabilität medizintechnischer Geräte mit den Dokumentations- und Informationssystemen vereinfacht werden, um die Rettungskräfte nicht mit einer Vielzahl von Insellösungen zu belasten.


Literatur

1.
ISO 9241-210. Ergonomie der Mensch-System-Interaktion - Teil 210: Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme. 2011.
2.
Mentler T, Kindsmüller MC, Herczeg M, Rumland T. Eine benutzer- und aufgabenzentrierte Analyse zu mobilen Anwendungssystemen bei Massenanfällen von Verletzten. In: Workshop zur IT-Unterstützung von Rettungskräften - Informatik 2011. Berlin: 2011.
3.
ISO 9241-110. Ergonomie der Mensch-System-Interaktion - Teil 110: Grundsätze der Dialoggestaltung. 2008.
4.
Mentler T, Herczeg M, Jent S, Stoislow M, Kindsmüller MC. Routine Mobile Applications for Emergency Medical Services in Mass Casualty Incidents. Biomed Tech - Proceedings BMT. 2012;57(Suppl. 1):784-787.
5.
Lenert LA, Chan TC, Kirsh, D, Griswold, WG. WIISARD Final Report [Internet]. University of California San Diego & California: Institute for Telecommunications and Information Technology; 2008 [cited 2013 Feb 28]. Available from: http://collab.nlm.nih.gov/webcastsandvideos/siirsv/ucsdsummaryreport.pdf External link