gms | German Medical Science

4. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e. V. (DGESS)

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e. V.

20.03. - 22.03.2014, Leipzig

Familiale Transmission des Körperbildes – Zusammenhänge zwischen der visuellen Körperverarbeitung von Müttern und Töchtern

Meeting Abstract

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS). 4. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen. Leipzig, 20.-22.03.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc14dgess007

doi: 10.3205/14dgess007, urn:nbn:de:0183-14dgess0071

Published: March 17, 2014

© 2014 Bauer et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Outline

Text

Hintergrund: Es liegen Hinweise auf familiär gehäuftes Auftreten von Essstörungen vor. Diese stützen die Annahme der intrafamilialen Weitergabe spezifischer Risikofaktoren. In diesem Zusammenhang wurden für die Körperbildstörung, einem Kernsymptom von Anorexia und Bulimia Nervosa, zwei Wege der familialen Transmission von Mutter zu Tochter postuliert. Zum einen wird der Einfluss körperbezogener Modelllernprozesse diskutiert (indirekter Transmissionsweg), zum anderen wird mütterliche Einflussnahme durch (non-)verbale Kommunikationprozesse über den Körper der Tochter angenommen (direkter Transmissionsweg). Ungeklärt war bislang, ob sich diese Mechanismen auch auf visuelle, körperbezogene Informationsverarbeitungsprozesse übertragen lassen, die Forschungsergebnissen zufolge einen relevanten Faktor für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Essstörungen darstellen.

Methoden: Von N = 40 Mutter-Tochter-Paaren wurden Ganzkörperfotos erstellt, die der jeweiligen Probandin am Computerbildschirm präsentiert wurden. Während der Betrachtung der Fotos des eigenen Körpers sowie der Fotos einer weiblichen Vergleichsperson wurden mittels Eye-Tracking die Blickbewegungen erfasst. Zusätzlich wurde das Blickverhalten der Mütter bei der Betrachtung des Körpers ihrer Tochter aufgezeichnet. Die Blickbewegungsparameter wurden anschließend mit individuellen Attraktivitätsbewertungen für einzelne Körperregionen des eigenen sowie des Referenzkörpers in Zusammenhang gesetzt und das Ausmaß der Betrachtung positiv und negativ bewerteter Körperbereiche von Müttern und Töchtern miteinander korreliert.

Ergebnisse: Es ergaben sich signifikante Korrelationen für die Blickbewegungsmuster der Mütter und Töchter hinsichtlich des jeweils eigenen Körpers sowie einer altersentsprechenden Vergleichsperson (r = .308, p = .008). Zudem zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Blickbewegungsverhalten der Mütter und der Töchter hinsichtlich des Körpers der Tochter (r = .351, p = .013).

Schlussfolgerung: Die signifikante Korrelation der Blickbewegungsmuster für den eigenen und fremden Körper zwischen Müttern und Töchtern spricht für das Vorliegen intrafamilialer Modelllernprozesse körperbezogener Aufmerksamkeitslenkung im Sinne des postulierten indirekten Transmissionsweges. Der signifikante Zusammenhang zwischen dem Blickverhalten von Mutter und Tochter hinsichtlich des Körpers der Tochter steht in Einklang mit den angenommenen direkten Transmissionsprozessen. Die vorliegenden Ergebnisse erweitern somit das Modell der familialen Transmission von Körperwahrnehmung um den Aspekt der visuellen Informationsverarbeitung und liefern wichtige Hinweise auf potentiell ähnlicher Mechanismen bei Patientinnen mit Essstörungen und deren Müttern.