gms | German Medical Science

4. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e. V. (DGESS)

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e. V.

20.03. - 22.03.2014, Leipzig

Warum können Patientinnen mit Anorexia nervosa depressiv und trotzdem leistungsfähig sein? Die mögliche Bedeutung von emotionaler Suppression im Rahmen eines leistungsbetonten Experiments

Meeting Abstract

  • author presenting/speaker Jonathan Backe - Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Ulm, Ulm, Deutschland
  • author Edit Rottler - Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Ulm, Ulm, Deutschland
  • corresponding author Jörn von Wietersheim - Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Ulm, Ulm, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS). 4. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen. Leipzig, 20.-22.03.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc14dgess058

doi: 10.3205/14dgess058, urn:nbn:de:0183-14dgess0585

Published: March 17, 2014

© 2014 Backe et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Outline

Text

Hintergrund: Patienten mit Major Depression zeigen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Doppelfehler, also ein Fehler wird gefolgt von einem weiteren Fehler. Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt bei Patienten mit niedriger kognitive Neubewertung. Depressionen zählen zu den häufigsten Komorbiditäten bei Patientinnen mit Anorexia nervosa. Gleichzeitig gelten diese jedoch als sehr leistungsorientiert und auch leistungsfähig. Daher war es das Ziel der vorliegenden Studie, mit Hilfe eines Feedback-Paradigmas den Einfluss von Depression, Emotionsregulation und Essstörungs-Psychopathologien auf die Leistung von Patientinnen mit Anorexia nervosa zu untersuchen.

Methoden: Die Patientengruppe (PG), 32 stationär betreute Frauen mit der Diagnose Anorexia nervosa, wurde mit einer Kontrollgruppe (KG), 30 gesunden Kontrollprobandinnen verglichen. Am Computer wurde die Leistung in einer mentalen Rotationsaufgabe getestet. Es erfolgte unmittelbar nach jeder Aufgabe ein visuelles und akustisches Feedback bezüglich der Korrektheit der Antwort. Durch die ansteigende Aufgabenschwierigkeit sollte so zunehmend emotionaler Stress induziert werden. Die per Varianzanalyse untersuchten Hauptvariablen waren die Zahl der Fehler, Doppelfehler, die Wahrscheinlichkeit eines Doppelfehlers und die Reaktionszeit. Unabhängige Variablen waren Depression (ADS-K, QIDS), Emotionsregulationsstile (ERQ), und Essstörungspathologien (EDI-2). Die Gruppen unterschieden sich nicht in IQ und dem räumlichen Gedächtnis.

Ergebnisse: Die Varianzanalyse ergab, dass die PG signifikant mehr Fehler als die KG machte und eine deutlich längere Reaktionszeit zeigte. In der Anzahl der Doppelfehler zeigte sich kein signifikanter Unterschied. Die PG hatte signifikant höhere Werte in beiden Depressionsskalen und zeigte einen Emotionsregulationsstil mit weniger kognitiver Neubewertung und mehr emotionaler Suppression. Eine lange Reaktionszeit korrelierte mit hoher emotionaler Suppression und einem niedrigen BMI; hohe Depressionswerte und ein geringer BMI waren mit wenig kognitiver Neubewertung assoziiert. Hohe Werte in den EDI-2-Skalen Interozeption, Askese, Soziale Unsicherheit und Misstrauen korrelierten mit wenig kognitiver Neubewertung, hoher Depressivität und hoher emotionaler Suppression.

Schlussfolgerung: Der Effekt einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für einen Doppelfehler ließ sich bei den Patientinnen mit Anorexia nervosa nicht zeigen. Die Patientinnen scheinen mit Fehlergefühlen umzugehen, indem sie diese unterdrücken, wodurch sie leistungsfähig bleiben können. Die Studie lässt vermuten, dass Depressivität bei Patientinnen mit Anorexia nervosa und Depression nicht gleichzusetzen sind. Eine besondere Rolle spielt dabei die Emotionsverarbeitung.