gms | German Medical Science

GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

Bericht aus dem Arbeitskreis "Ärzte und Juristen"

Mitteilung

Search Medline for

GMS Mitt AWMF 2013;10:Doc5

doi: 10.3205/awmf000278, urn:nbn:de:0183-awmf0002788

Received: April 26, 2013
Published: May 8, 2013

© 2013 Probst.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Der Arbeitskreis „Ärzte und Juristen" in der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat sich auf seiner Sitzung am 20. und 21. April 2012 in Würzburg unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Detlef Saeger unter anderem mit nachfolgend genannten Themen befasst.


Text

Verschuldensunabhängige Entschädigung

  • Dr. iur. Gerald Bachinger, Sprecher der Patientenanwälte Österreichs: Verschuldungsunabhängige Entschädigung: Erfahrungen in Österreich aus juristischer Sicht
  • Prof. Dr. Wolfgang-Ulf Wayand, Linz: Erfahrungen aus der Sicht eines chirurgischen Primararztes
  • Prof. Dr. Hartmut Siebert, Schwäbisch-Hall: Sind auch in Deutschland Vorteile zu erwarten? Sind die Voraussetzungen vergleichbar?
  • Dr. iur. Alexandra Jorzig, Rechtsanwältin, Dortmund: Einschätzung aus juristischer Sicht in Deutschland



Die früher schon einmal im Arbeitskreis erörterte Thematik (Grafe, Laum, 11/2003) wurde erneut, und zwar am Modell der österreichischen Regelung (Bachinger), diskutiert. Deren Grundanliegen ist die Förderung außergerichtlicher Lösungen, gerichtsanhängige Fälle scheiden von vornherein aus. Die Entschädigung soll Patienten zugute kommen, bei denen die (gesetzliche) Haftung nicht eindeutig gegeben ist, bei Beweisschwierigkeiten, Komplikationen, katastrophalen Verläufen und bei außergewöhnlich großen Schäden. Finanzierung aus einem Fond, der durch behandlungstägliche Einzahlungen der Patienten gebildet wird.

Durch eine Kommission, in der auch ein Patientenanwalt mitwirkt, wird geklärt, ob im strittigen Fall nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft gehandelt wurde, es sich um einen Dauer- oder Spätschaden handelt, der Schmerzverlauf wird berücksichtigt, ferner, ob eine Komplikation aufgetreten ist (Wayand).

Siebert legte die deutsche Rechts- und Sachlage (gerichtliche Entscheidung. Schiedsstellen der Ärztekammern) sowie Verhältnisse in anderen Ländern dar. Er empfiehlt, Patientensicherheit als ein nationales Gesundheitsziel wahrzunehmen und so von der Schuldkultur zur Sicherheitskultur zu gelangen. Neben der Konzentrierung der Kompetenz im gerichtlichen Verfahren hält er die Mediation durch die Schiedsstellen sowie die Optimierung deren Arbeit, ferner den Aufbau eines Melderegisters für zielführend. Ziel müsse es auch sein, die Skandalisierung und Kriminalisierung und die Polarisierung Patient/Arzt zu beenden. Vorstellung der Eckpunkte des verschuldensunabhängigen Entschädigungsfonds (Entwurf der Bundesländer).

Jorzig stellte die juristische Problematik einer ärztlichen Gefährdungshaftung in den Mittelpunkt. Eine solche sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen (anders als im Arzneimittelgesetz, Produkthaftungsgesetz, Gentechnikgesetz). Auch das Patientenrechtegesetz berücksichtigt eine solche nicht. Mit den §§ 630a-h BGB werden jedoch die bisher richterrechtlich entwickelten und etablierten Rechtsfiguren und Beweissituationen normativ verankert.

Verantwortlichkeit patientenferner Entscheider

  • Prof. Dr. Norbert Roeder, Münster: Aus Sicht eines Universitätsklinikums
  • Prof. Dr. Uwe Schulte-Sasse, Heilbronn: Aus Sicht des behandelnden Arztes
  • Dr. iur. T. Neelmeier, Hamburg: Aus strafrechtlicher Sicht

Die Gesundheitspolitik hat die Weichen hin zu mehr Wettbewerb gestellt. Es fehlen aber die Strukturvorgaben für Personal und Infrastruktur. Geschäftsführung und Chefärzte seien gemeinsam (!) verantwortlich für die Patientensicherheit, die Ergebnisqualität und eine wirtschaftliche Leistungserbringung. Jede medizinische Entscheidung sei auch eine ökonomische Entscheidung. Das gelte aber auch umgekehrt (Roeder).

Im nachfolgenden Referat wurde anhand von Urteilen die Wertung im Verhältnis der Organisationspflichten des Krankenhausträgers zur Verantwortung des Arztes, auf Engpässe der Versorgung „mit allem Nachdruck hinzuweisen und Abhilfe zu fordern", angesprochen (Schulte-Sasse).

Anhand einschlägiger Urteile bemängelte Neelmeier, dass in der Ermittlungspraxis „das strafrechtliche Augenmerk nur auf die unmittelbar handelnden Arzte gerichtet wird, da mit ihrer Verfolgung ein spontan-oberflächliches Bedürfnis nach Verantwortungszuweisung befriedigt ist". Dies sei generalpräventiv den bedrohten Rechtsgütern der Patienten nicht dienlich, indem dadurch eine Verbesserung der schadensanfälligen Organisation nicht wahrscheinlicher werde.

Alle Vortragsfolien sind in Originalgröße online auf der AWMF-Website unter folgender Adresse verfügbar:

www.awmf.org/die-awmf/arbeitskreise/ak-aerzte-juristen/1-sitzung-2012.html

Erstveröffentlichung: Orthopädie und Unfallchirurgie - Mitteilungen und Nachrichten, 2/2013