Zum Einfluss von Arbeitsanforderungen an Cockpitbesatzungen auf die Flugsicherheit

Die zunehmende Ökonomisierung weiter Gesellschaftsbereiche im Wirkungsgefüge global ausgerichteter Liberalisierungs- und Privatisierungstendenzen schlägt sich seit Anfang der 1980er Jahre auch in einer Neuordnung des kommerziellen Luftverkehrs nieder. Unter den veränderten Rahmenbedingungen von „postmoderner Beliebigkeit und neoliberalen Konzepten“ haben es besonders Piloten heute schwer ihren Transportauftrag so zu erfüllen, dass die notwendige „Gewissheit“ im Flugbetrieb in Form von Flugsicherheit generiert und gewährleistet werden kann. Vor diesem Hintergrund erhält die Fragestellung nach der Detektierbarkeit von Grenzen menschlichen Regulationsvermögens eine hohe Relevanz. Diese Limits gilt es zu identifizieren und zu verorten. In dem Beitrag wird dazu das physikalisch-mathematische Konstrukt eines hypothetischen Lösungsmodells vorgeschlagen. Der dargestellte Argumentationspfad ist interdisziplinär ausgerichtet. Er basiert auf arbeitswissenschaftlichen Konzepten und nutzt insbesondere wissenschaftliche Erkenntnisse zur Dynamik und Selbstorganisation komplexer Systeme.

This contribution suggests a paradigm change in the scientific discourse concerning human performance by means of a case study of commercial air transport regarding flight safety. The focus of this work is on the human being in a high-risk environment. Based on a load-strain concept, the analysis proceeds by using physical-mathematical approaches involving results from the theory of self-organised dissipative systems with the perspective on its pro-cessual character. Central to the theoretical analysis is the pilot as a conscious actor of a transport-working- sys-tem increasingly subjected to a trilateral area of conflict: ergonomical working conditions, economic efficiency and operational safety. In this environment the limits of the pilot’s regula-tory ability are of crucial importance. These limits have to be identified and established. For this purpose a theoretical approach is presented which offers the potential to establish a multi-dimensional system of criteria. This can be regarded as a fundamental element for optimising working conditions in the cockpit, thus raising flight safety and improving long-term flight op-eration effectiveness and contentment. In order to empirically verify the theoretical construc-tion, a three-step methodology is given. The developed approach could be generally trans-ferred to other occupations. The involved analyses suggest measures which, in the long run, will contribute to the consoli-dation of flight operations in an exceedingly changeable social, technological and organiza-tional environment. Another goal is to improve the compatibility of existential, social and eco-nomic needs. To this end, the ergonomically determined argument presents a proposal to restructure European flight operation systems

Der vorliegende Beitrag propagiert am Beispiel des kommerziellen Luftverkehrs einen Paradigmenwechsel für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Frage- und Problemstellungen zum menschlichen Leistungsvermögen aus dem sicherheitsbezogenen Kontext ge-sellschaftlicher Mobilität. Mit Hilfe eines physikalisch-mathematisch orientierten Ansatzes wird auf der Grundlage einer Belastungs-Beanspruchungskonzeption und wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Selbstorganisation dissipativer Systeme eine interdisziplinär ausgerichtete und synchrone Betrachtungsweise des arbeitenden Menschen in wenig Fehler verzeihenden Be-reichen erschlossen. Dabei steht die konsequente Anwendung des Prozessgedankens im Vordergrund der Forschungsaktivität. Im Einzelnen richten sich die theoretischen Analysen auf den Piloten als Willenszentrale des Transportträger-Arbeitssystems im trilateralen Spannungsfeld von ergonomischer Arbeitsgestaltung, ökonomischer Effizienz und zu garantierender Betriebssicherheit. Damit erhält die Frage nach den Grenzen seines Regulationsvermögens einen allseitig ausgerichteten existenzrelevanten Stellenwert. Diese Limits gilt es zu identifizieren und zu verorten. Dazu wird der Konstruktansatz eines hypothetischen Lösungsmodells vorgestellt. In diesem Erkenntnisprozess ergibt sich die Möglichkeit, ein mehrdimensionales Kriteriensystem aufstellen zu können. Mit noch hypothetischem Charakter kann dies den Rahmen sowohl für angestrebte Optimierungen von Cockpitarbeit im Sinne einer menschengerechten Gestaltung als auch im Hinblick auf eine zu erhöhende Flugsicherheit abstecken und liefert damit die Aussicht auf eine Verbesserung langfristig ausgerichteter flugbetrieblicher Effektivität und Zufriedenheit sowohl für Luftfahrtgesellschaften als auch für deren Kunden. Für die empirische Konstruktverifizierung und Praxistauglichkeit wird eine mehrstufige Methodik vorgeschlagen. Der Ansatz kann dabei generell auf andere berufliche Tätigkeitsbereiche übertragbar sein. Aus den im Vorfeld der Konstrukterstellung durchgeführten Analysen über die augenblickliche Situation zur sicherheitsrelevanten Stellung von operationell tätigem Luftfahrtpersonal in einer sich technisch, sozial und organisatorisch schnell wandelnden Lebens- und Arbeitsumgebung lassen sich Gestaltungsmaßnahmen ableiten, die langfristig den Betrieb von Flugzeugen als attraktive Transportträger sichern könnten. Im Hinblick auf eine anzustrebende Verbesserung der Verträglichkeit von existenziellen, gesellschaftlichen und ökonomischen Bedürfnisbefriedigungen werden ein arbeitswissenschaftlich determinierter Argumentationspfad und ein entsprechender Vorschlag für die Um- bzw. Neustrukturierung europäischer Flugbetriebssysteme aufgezeigt.

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